Élysée-Tag mit einem Oskar-Preisträger
Die Veranstaltung anlässlich des Élysée-Tages
Am vergangenen Montag, dem 24. Januar 2022, fand eine Exkursion für unsere Oberstufe statt anlässlich des Tages der Deutsch-Französischen-Freundschaft. Bei der Exkursion handelte es sich dieses Jahr um einen Kinobesuch zu dem französisch-deutschen Fernsehfilm „Das Meer am Morgen“ (2011) mit einem anschließenden Interview mit dem Drehbuchautor und Regisseur Volker Schlön-dorff.
Nach einer kurzen Einführung zum historischen Kontext des Filmes bzw. zur Bedeutung der Ereignisse in der französischen Erinnerungskultur durch Lara und Zeruya begann die Aufführung.
Der Film beschäftigte sich mit den historischen Ereignissen rund um die Geiselerschießungen während der deutschen Besatzung in Frankreich. 1941 wird in Nantes ein deutscher Besatzungsoffizier von jungen kommunistischen Widerstandskämpfern erschossen. Als „Vergeltung“ fordert Hitler die Hinrichtung von 150 französischen Gefangenen. Unter den ausgewählten Geiseln ist der 17-jährige Guy Môquet. Dieser wurde während der nationalsozialistischen Besatzung verhaftet, weil er in einem Kino Flugblätter vom Rang geworfen hatte. Bei der Rekonstruktion des Geschehens stützt sich der Regisseur auf Aufzeichnungen des Dichters und damaligen Wehrmachtsoffiziers Ernst Jünger sowie auf Abschiedsbriefe der Männer. „Das Meer am Morgen“ schildert die kurze Zeit zwischen der Ermordung des Offiziers und der Hinrichtung der Geiseln sowohl aus der Perspektive von Guy als auch aus der Sicht eines fast gleichaltrigen deutschen Soldaten aus dem Hinrichtungskommando. Ebenso werden die französische Kollaboration thematisiert wie auch die Versuche des deutschen Oberbefehlshabers in Frankreich in Verhandlungen mit Hitler, die Zahl der zu Erschießenden zu verringern, um das Besatzungsregime nicht durch mögliche Proteste zu destabilisieren.
So dachten sich viele Schüler:innen im Vorhinein, es wäre wieder nur eine andere langweilige Dokumentation, in welcher uns erneut die Gräueltaten der Nazis vorgeführt werden würden. Dieser Eindruck änderte sich jedoch schnell. So wurde diesmal nicht die „klassische Hauptbühne“ der Nazis beleuchtet, sondern eine andere Facette der Grausamkeiten aufgegriffen, die wieder verdeutlichte, mit welcher brutalen Mechanik die Verbrechen im Zweiten Weltkrieg begangen wurden. Jedoch wurde einer der Protagonisten, der junge Wehrmachtssoldat Heinrich, in diesem Fall nicht wie der klassische „Böse“ bzw. als „Monster“ dargestellt, sondern als ein Mensch, der auch ein Gewissen hatte und den die Skrupellosigkeit und Grausamkeit erschütterten. Durch hervorragende Schauspielerleistungen sowie Dramaturgie konnte man passagenweise die Perspektive der später Hingerichteten teilen. Dadurch wurde der Film nicht langweilig und ermöglichte uns Schüler:innen auch ein starkes Mitgefühl für die Charaktere. So kam es auch dazu, dass einige immer wieder weinen mussten.
Diese Wirkung wurde zudem verstärkt, als im späteren Gespräch mit dem Regisseur Volker Schlöndorff dieser von seinen Emotionen ergriffen wurde und uns erzählte, wie er auf die Idee kam, diesen Film zu drehen. Durch das Gespräch, das durch die Leistungskurse Geschichte und Französisch vorbereitet worden war und das auf der Kinobühne von Milena, Florence, Miriam und Max mit dem prominenten Gast geführt wurde, waren wir nun also nicht nur über die Entstehungsidee, sondern auch über die Umsetzung einiger Szenen informiert. Herr Schlöndorff erklärte z.B., wie wichtig es ihm gewesen sei, die Hingerichteten bei der Erschießung und auch schon zuvor in emotionalen und intimen Szenen nicht direkt und in Nahaufnahme zu filmen. Ihm bedeute es viel, so dem Publikum selbst die Vorstellung zu ermöglichen, wie die Charaktere sich zu dem Zeitpunkt gefühlt haben müssen und die Gefühle nicht durch geschauspielerte Emotionen der Darsteller:innen zu vermitteln.
Zum Abschluss kann man nur festhalten, dass dies eine durchaus Empathie fördernde und auch aus historischer Perspektive informative Exkursion war. So sagten später viele Mitschüler:innen, es sei „cool gewesen“ einen solchen Einblick nicht nur in die Geschichte, sondern auch in die Entstehungsgeschichte wie Produktionsweise von Filmen zu bekommen, insbesondere durch einen allseits bekannten Fachmann – Volker Schlöndorff, der so gar nicht wie ein Star auftrat – was ja angesichts der ungezählten Preise für seine Filme - u.a. hat er den Oskar und die Goldene Palme bekommen und ist damit im „Olymp“ der Filmbranche – möglich gewesen wäre. Einen kleinen Einblick in sein immensen Fachwissen und sein Engagement gab er auf eine beeindruckend freundliche, zugewandte und humorvolle Weise.
Apropos Engagement: Wie wir erfuhren, heißt der neue Film Volker Schlöndorffs – eine Dokumentation von 2021 – „Der Waldmacher“ . Unbedingt anschauen!
Anouk und Helen (LK-Ge2)